Ein Rechtskataster ist ein Verzeichnis von Rechtsvorschriften, das die Rechtslage in einem bestimmten Bereich systematisch erfasst. Sie können für verschiedene Zwecke verwendet werden, z. B. zur Information, zur Rechtsberatung oder zur Rechtsdurchsetzung.

In Deutschland gibt es verschiedene Rechtskataster, die sich auf verschiedene Rechtsbereiche beziehen. Zu den bekanntesten gehören:

  • Bundesrecht: Das Bundesrecht wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Bundesgesetzblatt kann online abgerufen werden.
  • Landesrecht: Das Landesrecht wird in den jeweiligen Landesgesetzblättern veröffentlicht. Die Landesgesetzblätter können online abgerufen werden.
  • Europäisches Recht: Das Europäische Recht wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Das Amtsblatt der Europäischen Union kann online abgerufen werden.
  • Internationales Recht: Das Internationale Recht wird in verschiedenen Quellen veröffentlicht, z. B. in den Sammlungen der Vereinten Nationen oder in den Sammlungen von Rechtswissenschaftlern.

Darüber hinaus gibt es auch spezialisierte Rechtskataster, die sich auf bestimmte Rechtsbereiche beziehen. Beispiele hierfür sind:

  • Baurecht: Das Baurecht wird im Baugesetzbuch und in den jeweiligen Landesbauordnungen geregelt.
  • Arbeitsrecht: Das Arbeitsrecht wird im Arbeitsgesetzbuch und in den jeweiligen Landesarbeitsgesetzen geregelt.
  • Umweltrecht: Das Umweltrecht wird im Umweltgesetzbuch und in den jeweiligen Landesumweltgesetzen geregelt.

Rechtskataster können auf verschiedene Weise aufgebaut sein. Einige sind nach Rechtsgebieten gegliedert, andere nach Sachgebieten. Etliche enthalten auch Informationen zu den Rechtsfolgen der jeweiligen Rechtsvorschriften.

Rechtskataster können eine wichtige Informationsquelle für Unternehmen, Behörden und Privatpersonen sein. Sie können dabei helfen, die Rechtslage zu verstehen und Rechtsrisiken zu vermeiden.

Hier sind einige Beispiele für die Verwendung:

  • Information: Rechtskataster können verwendet werden, um sich über die Rechtslage in einem bestimmten Bereich zu informieren.
  • Rechtsberatung: Sie können verwendet werden, um Rechtsberatung zu erhalten.
  • Rechtsdurchsetzung: Rechtskataster können verwendet werden, um Rechtsansprüche durchzusetzen.

Änderung der Störfallverordnung

Wichtige, aktuelle Veränderungen bei Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen stellen wir Ihnen in regelmäßigen Abständen in unserem Compliance-Blog vor. Heute: Störfallverordnung (12. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV), Bundesgesetzblatt Nr. 3 vom 13.01.2017 S. 47). Überprüfen Sie anhand des Gesetzeskatasters schnell und einfach, ob Ihr Unternehmen betroffen ist.

Die Störfallverordnung wurde geändert durch die “Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung des Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates”.

Nunmehr wurde die Seveso-III-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Hauptsächlich wurde die Verordnung an das EU-System zur Einstufung gefährlicher Stoffe angepasst. Darüber hinaus wurden Anforderungen an die behördliche Überwachung von Betrieben, die schwere Unfälle verursachen können, das Risiko eines schweren Unfalls vergrößern oder die Auswirkungen eines solchen Unfalls verschlimmern können, geändert.

Änderungen der Störfallverordnung

In § 2 werden die Begriffe „Betriebsbereich der unteren Klasse“ und „Betriebsbereiche der oberen Klasse“ eingeführt.

Betriebsbereich der unteren Klasse ist ein Betriebsbereich,  in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Spalte 4 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten, aber die in Spalte 5 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen unterschreiten.

Ein „Betriebsbereich der oberen Klasse ist ein Betriebsbereich, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Spalte 5 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten.

Ebenso wird der benachbarte Betriebsbereich definiert. Dies ist ein Betriebsbereich, der sich so nah bei einem anderen Betriebsbereich befindet, dass dadurch das Risiko oder die Folgen eines Störfalls vergrößert werden. Die Definition des Begriffs „benachbarter Betriebsbereich“ wird benötigt, um den Umfang entsprechender Berichts-und Informationspflichten nach den §§ 7 Absatz 1 Nummer 7 a) und 11 Absatz 3 sowie Anhang II Abschnitt II Nummer 3 festzulegen.

Die Änderung des Begriffs „Vorhandensein gefährlicher Stoffe“ trägt der geänderten Definition in Artikel 3 Nummer 12 der Richtlinie 2012/18/EU Rechnung. Der Begriff „Vorhandensein gefährlicher Stoffe“ ist von zentraler Bedeutung für die Prüfung, ob eine Betriebsstätte in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt und damit zu einem „Betriebsbereich“ wird.  Künftig müssen bei der Prüfung, ob eine Betriebsstätte in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, neben den tatsächlich vorhandenen oder vorgesehenen gefährlichen Stoffen auch gefährliche Stoffe berücksichtigt werden, soweit vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass sie bei außer Kontrolle geratenen Prozessen, auch bei Lagerung, anfallen. Außer Kontrolle geratene Prozesse, insbesondere im Zusammenhang mit Lagerung, sind z. B. Brand, Stoffverwechslung oder Zersetzung.

Anforderung zur Verhinderung von Störfällen

Nach dem neu eingefügten § 4 (Anforderungen zur Verhinderung von Störfällen) Nr. 1a hat der Betreiber zusätzliche zur den bereits aufgeführten Maßnahmen, die Maßnahmen zu treffen, damit Freisetzungen gefährlicher Stoffe in Luft, Wasser oder Boden vermieden werden.

Die Änderungen in § 6 (Ergänzende Anforderungen) Abs. 2 Nr. 2 verpflichten die Betreiber von Betriebsbereichen zwischen denen Domino-Effekte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 stattfinden können, künftig nicht nur hinsichtlich der Information der Öffentlichkeit, sondern auch hinsichtlich der Information benachbarter Betriebsstätten, die nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, zusammenarbeiten.

Durch die Ergänzung in § 7 (Anzeige) Absatz 1 Nummer 7 wird präzisiert, dass zu den geforderten Angaben über Gegebenheiten in der unmittelbaren Umgebung des Betriebsbereichs auch Einzelheiten zu benachbarten Betriebsbereichen sowie zu anderen Betriebsstätten, die nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, etc. gehören, soweit sie verfügbar sind. Im Hinblick auf die damit verbundene Frage nach dem Umfang der Informationsbeschaffungspflicht des Betreibers ist davon auszugehen, dass verfügbare Informationen solche sind, die auf Seiten des Betreibers bereits vorliegen, öffentlich verfügbar sind, oder bei der zuständigen Behörde erfragt werden können.

Über die bereits bisher der zuständigen Behörde vorab anzuzeigenden Änderungen hinaus sind der Behörde künftig auch Änderungen, die dazu führen, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird und umgekehrt, Änderungen der Angaben nach § 7 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 sowie die Einstellung des Betriebsbereichs oder einer Anlage des Betriebsbereichs mindestens einen Monat vorher schriftlich anzuzeigen (§ 7 Abs. 2).

Regelmäßige Konzeptüberprüfung

Unbeschadet der bereits aus Anlass von Änderungen nach § 7 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 erforderlichen Überprüfungen muss das Konzept zur Verhinderung von Störfällen nunmehr in regelmäßigen Abständen von höchstens fünf Jahren überprüft und erforderlichenfalls aktualisiert werden. Insbesondere nach einem Ereignis mit so erheblichen Auswirkungen, dass es nach Anhang VI Teil 1 Ziffer I zu melden war, muss das Konzept auf der Basis der Ereignisanalyse überprüft werden.

§ 8a „Information der Öffentlichkeit“ wurde neu eingefügt. Der Betreiber hat der Öffentlichkeit die Angaben nach Anhang V Teil 1 (Informationen zu Betriebsbereichen der unteren und oberen Klasse) ständig zugänglich zu machen, auch auf elektronischem Weg. Es wird klargestellt, dass aus Gründen nach Artikel 4 der Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen von der Veröffentlichung bestimmter Informationen mit Zustimmung der Behörde abgesehen werden kann. Im Wesentlichen dürften folgenden Gründe relevant sein:

–   Betriebs-und Geschäftsgeheimnisses,

–   Vertraulichkeit persönlicher Daten und öffentliche Sicherheit.

Die Gründe, die sich auf behördenspezifische Vorgänge beziehen, sind hier nicht einschlägig.

Nach § 9 (Sicherheitsbericht) Abs. 5 Satz 3 hat der Betreiber der zuständigen Behörde die aktualisierten Teile des Sicherheitsberichtes unverzüglich und bei einer störfallrelevanten Änderung nach § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr.  2 mindestens einen Monat vor Durchführung der Änderung vorzulegen.

Vor der erstmaligen Inbetriebnahme eines Betriebsbereichs hat der Betreiber nach § 10 (Alarm- und Gefahrenabwehrpläne) Abs. 1 Nr. 2 den zuständigen Behörden die für die Erstellung externer Alarm- und Gefahrenabwehrpläne erforderlichen Informationen mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme eines Betriebsbereiches oder vor Änderungen der Anlage oder der Tätigkeiten, auf Grund derer der Betriebsbereich unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt oder auf Grund derer ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird, zu übermitteln.

§ 11 (Weiterehende Informationen der Öffentlichkeit) wurde ergänzt. Gleichzeitig wurde auch Anhang V „Information der Öffentlichkeit“ ergänzt. Anhang V hat nunmehr zwei Teile“ und zwar

–   Teil 1: Information zu Betriebsbereichen der unteren und oberen Klasse“

und

–   Teil 2: Weitergehende Informationen zu Betriebsbereichen der oberen Klasse“.

 

§ 8a  (Information der Öffentlichkeit) verpflichtet den Betreiber zur Information nach Anhang V Teil 1 und § 11 zur Information nach Anhang V Teil 2.  Auch diese Angaben sind ständig zugänglich zu machen, auch auf elektronischem Weg und auf dem neuesten Stand zu halten, insbesondere bei einer störfallrelevanten Änderung. Diese Informationspflicht ist mindestens einen Monat vor Inbetriebnahme des Betriebsbereiches oder vor einer störfallrelevanten Änderung zu erfüllen.

Die Aufbewahrung der Unterlagen nach § 12 (Sonstige Pflichten) Abs. 2 für die Durchführung der Prüfung, Überwachung, Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Funktionsprüfungen bis zur nächsten Vor-Ortbesichtigung, jedoch mindestens fünf Jahre ab Erstellung zur Einsicht durch die zuständige Behörde aufzubewahren.

Domino-Effekt

In § 15 (Domino-Effekt) wird festgelegt, welche Informationen die zuständige Behörde zur Feststellung eines Domino-Effekts zu verwenden hat und welche Informationen sie dem Betreiber gegebenenfalls zur Verfügung stellen muss, um ihm die Erfüllung seiner sich aus dem Domino-Effekt ergebenden Pflichten zu erleichtern.

§ 17 „Überwachungsplan und Überwachungsprogramm“ wurde neu eingefügt und regelt den Mindestinhalt des Überwachungsplanes, den die zuständige Behörde im Rahmen des Überwachungssystems zu erstellen hat. Vor-Ort-Besichtigungen (früher wurde der Begriff „Inspektion“ verwendet) der Behörden finden auf Grundlage der Überwachungspläne der zuständigen Behörden statt. In den Überwachungsprogrammen werden auch die Zeiträume angegeben, in denen Vor-Ort-Besichtigungen stattfinden müssen. Diese Besichtigungen sind nicht auf Betriebsbereiche der oberen Klassen beschränkt, sondern sind auch für die Betriebsbereiche der unteren Klassen vorgesehen. Der Abstand zwischen zwei Vor-Ort-Besichtigungen darf bei Betriebsbereichen der oberen Klasse ein Jahr und bei Betriebsbereichen der unteren Klasse drei Jahre nicht überschreiten (§ 17 Abs. 2).

Der neu eingefügte § 18 „Genehmigungsverfahren nach § 23b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“ enthält die näheren Vorgaben zu dem störfallrechtlichen Genehmigungsverfahren gemäß § 23b BImSchG für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die Betriebsbereich  oder Bestandteil eines Betriebsbereichs sind und bei deren störfallrelevanter Errichtung oder störfallrelevanter Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten nicht eingehalten wird. Die Vorgaben in § 18 entsprechen weitgehend den Vorgaben für das förmliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG in Verbindung mit den Vorschriften der 9. BImSchV.

In § 18 Abs. 2 werden darüber hinaus genauere Vorgaben für die in die Bekanntmachung des Vorhabens durch die zuständige Behörde aufzunehmenden Informationen geregelt.

In § 20 werden Übergangsvorschriften festgelegt. Danach hat der Betreiber eines Betriebsbereichs, der am 13.01.2017 unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung fällt und dessen Einstufung als Betriebsbereich der oberen oder unteren Klasse sich ab dem 14.01.2017 nicht ändert,

  1.  der zuständigen Behörde die Angaben nach § 7 Abs. 1 bis zum Ablauf des 14.07.2017 schriftlich anzuzeigen, sofern er der zuständigen Behörde die entsprechenden Angaben nicht bereits übermittelt hat,
  2. das Konzept nach § 8 Abs. 1 Satz 1 unverzüglich, spätestens jedoch bis zum Ablauf des 14.07.2017, zu aktualisieren, soweit dies auf Grund der Anforderungen erforderlicher ist.
Betriebsbereich der oberen Klasse

Handelt es sich um einen Betriebsbereich der oberen Klasse, hat der Betreiber zusätzlich

  1. den Sicherheitsbericht nach § 9 Abs. 1 und 2 oder 3 bis zum Ablauf des 14.07.2017 zu aktualisieren und aktualisierte Teil der zuständigen Behörde bis zu diesem Zeitpunkt vorzulegen,
  2. die internen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne unverzüglich zu aktualisieren und den zuständigen Behörden spätestens jedoch zum Ablauf des 14.07.2017 Informationen zu übermitteln, sofern nicht die bestehenden internen Alarm- und Gefahrenabwehrpläne sowie die Informationen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. unverändert geblieben sind und den Anforderungen der Störfallverordnung entsprechen.

Der Betreiber, der ab dem 01.06.2015 aus anderen Gründen als Änderungen seiner Anlage oder seiner Tätigkeiten, die eine Änderung ihres Inventars gefährlicher Stoffe zur Folge haben, unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2012/18 fällt oder eine Änderung seiner Einstufung als Betriebsbereich der unteren oder oberen Klasse erfährt, hat

  1. der zuständigen Behörde die Angaben nach § 7 Abs. 1 innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem die Störfallverordnung für den betreffenden Betriebsbereich gilt, schriftlich anzuzeigen,
  2. das Konzept nach § 8 abs. 1 Satz 1 unverzüglich, spätestens jedoch bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem die Störfallverordnung für den betreffenden Betriebsbereich gilt, auszuarbeiten und seine Umsetzung sicherzustellen.

Bei Betriebsbereichen der oberen Klasse ist die Vorlage zusätzliche Informationen (z.B. Sicherheitsbericht) erforderlich. Im Übrigen wurde die Verordnung sprachlich der Richtlinie 2012/18/EU (Seveso III) angepasst.

Anhang I:

Anhang I besteht aus einer Stoffliste, der Regelungen zu den Mengenschwellen vorangestellt und erläuternde Fußnoten zu Angaben in der Stoffliste nachgestellt sind.

In der Stoffliste sind die Einträge fortlaufend nummeriert, beginnend mit Nummer 1 für Gefahrenkategorien gefolgt von Nummer 2 für namentlich genannte gefährliche Stoffe. Die unter Nummer 1 aufgeführten Gefahrenkategorien entsprechenden Gefahrenkategorien in Anhang I Teil 1 der Richtlinie 2012/18/EU. Bei der Bezeichnung der Gefahrenkategorien wurden die Begriffe der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 („CLP-Verordnung“) verwendet. Die unter Nummer 2 aufgeführten namentlich genannten gefährlichen Stoffe entsprechen den gefährlichen Stoffen in Anhang I Teil 2 der Richtlinie 2012/18/EU.

Durch die Richtlinie 2012/18/EU werden die bisherigen Einstufungen gefährlicher Stoffe und Gemische in Anhang I auf Einstufungen nach der CLP-Verordnung umgestellt. Dies führt zu Veränderungen hinsichtlich der unter das Störfallrecht fallenden Stoffe, weil die neuen Gefahrenkategorien nach der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 in einer Reihe von Fällen – insbesondere im Bereich der Gesundheitsgefahren – nicht dieselben Stoffe umfassen wie die bisherigen Gefahrenkategorien. Deshalb werden gemäß der Richtlinie bestimmte bisher dem Störfallrecht unterliegende Stoffe künftig daraus entlassen oder erst bei höheren Mengenschwellen erfasst, während andere Stoffe, die bisher nicht unter das Störfallrecht fallen, künftig von diesem erfasst werden. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Stoffe, deren akute Toxizität bei Inhalation als Dampf im Bereich von 2,0 mg/l < LC50 ≤ 10 mg/l liegt. Für Stoffe dieser Gefahrenkategorie gelten damit künftig die bisherigen Mengenschwellen für giftige Stoffe, d. h. 50 Tonnen für das Auslösen der Pflichten für Betriebsbereiche der unteren Klasse und 200 Tonnen für das Auslösen der Pflichten für Betriebsbereiche der oberen Klasse. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen.

Anhang II:

Bei den Änderungen im Anhang II „Mindestangaben im Sicherheitsbericht“ handelt es sich im Wesentlichen um Ergänzungen der bisherigen Anforderungen zu Mindestangaben im Sicherheitsbericht. Dabei sind die geforderten „verfügbaren Informationen“ solche, die auf Seiten des Betreibers bereits vorliegen, öffentlich verfügbar sind oder bei der zuständigen Behörde erfragt werden können.

In der neuen Nr. 3 des Abschnitts IV wird nunmehr eine Anforderung zur Bewertung vergangener Ereignisse eingeführt. Diese ist nicht dahingehend zu interpretieren, dass sich die Bewertung vergangener Ereignisse sowie die Berücksichtigung der daraus gezogenen Lehren auf Ereignisse im Betriebsbereich des Betreibers beschränken dürfen. Vielmehr ist vom Betreiber zu erwarten, dass er sich z. B. in einschlägigen nationalen und internationalen Datenbanken darüber informiert, welche Ereignisse sich im Zusammenhang mit den in seinem Betriebsbereich verwendeten Stoffen und Verfahren an anderer Stelle ereignet haben.

Die Ergänzung in Nr. 1 des Abschnitts V ist eine beispielhafte Aufzählung von Einrichtungen, die der Begrenzung von Störfallauswirkungen dienen können.

Anhang III:

Dieser Anhang enthält nach wie vor die „Grundsätze für das Konzept zur Verhinderung von Störfällen und das Sicherheitsmanagementsystem“. Es wurde der Hinweis aufgenommen, dass Betriebsbereiche, deren Standort bereits

EMAS-registriert ist, bei der Einführung eines Sicherheitsmanagementsystems gemäß dem Anhang III der Störfall-Verordnung Synergieeffekte nutzen können, die sich aus ihrem Umweltmanagementsystem ergeben.

Anhang V:

Anhang V enthält die Mindestinhalte der Informationen zu Betriebsbereichen der unteren und oberen Klasse. Insbesondere zu beachten ist die Aufteilung des Anhangs in einen Teil 1 mit Angaben, die für alle Betriebsbereiche zu machen sind, und einen Teil 2 mit Angaben, die nur für Betriebsbereiche der oberen Klasse zu machen sind. Neu sind die unter Nummer 1 Teil 2 geforderte zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Störfallszenarien sowie Angaben zu Gegenmaßnahmen. Statt des bisherigen Verweises auf die externen Alarm-und Gefahrenabwehrpläne sind künftig unter Nummer 3 angemessene Informationen aus den entsprechenden Plänen zu geben.

Neu ist auch die unter Nummer 4 geforderte Angabe, ob ein Störfall in dem betreffenden Betriebsbereich grenzüberschreitende Auswirkungen im Sinne des UNECE-Industrieunfallübereinkommens haben könnte. Für diese Angabe kann auf entsprechende Ermittlungen und Festlegungen im Rahmen des Industrieunfallübereinkommens zurückgegriffen werden.

Die Änderungen sind insbesondere hinsichtlich der Änderungen in der Stoffliste des Anhangs I relevant.

Handlungsbedarf für Betreiber

Betreiber müssen anhand der Stoffliste des Anhang I ermitteln, ob der Betriebsbereich überhaupt noch der Störfall-Verordnung unterliegt und wenn ja, welcher Klasse (untere oder obere) er zuzuordnen ist.

Es gilt hier, die Stoffliste hinsichtlich der unter das Störfallrecht fallenden Stoffe sowie deren Mengenschwellen auszuwerten und für den Betriebsbereich zu bewerten. Dies sollte der erste Schritt sein.  Im zweiten Schritt sind sodann die geänderten und ergänzten Betreiberpflichten (z.B. Information der Öffentlichkeit) abzuleiten. Die Zuordnung des Betriebsbereiches ist ebenso für die Übergangsregelungen des § 20 und die damit verbundenen Verpflichtungen gegenüber der zuständigen Behörde (z.B. schriftliche Anzeige zum 14.07.2017, Aktualisierung des Konzeptes spätestens bis zum 14.07.2017, Sicherheitsbericht, Aktualisierung Alarm- und Gefahrenabwehrpläne bis zum 14.07.2017) entscheidend.

Auf einen Blick: gesetzliche Änderungen bei Mindestlohn und Arbeitsschutz

Wichtige, aktuelle Veränderungen bei Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen stellen wir Ihnen in regelmäßigen Abständen in unserem Compliance-Blog vor. Heute: Mindestlohn und Arbeitsschutz. Beide Verordnungen sind im November veröffentlicht worden. Überprüfen Sie anhand des Gesetzeskatasters schnell und einfach, ob Ihr Unternehmen betroffen ist.

Verordnung zur Anpassung der Höhe des Mindestlohns (MiLoV)

Mit dieser Verordnung wird der Mindestlohn auf brutto 8,84 je Zeitstunde festgelegt. Die Verordnung und damit der Mindestlohn gelten ab 1. Januar 2017. Weitere Inhalte enthält die Verordnung nicht. Die Erhöhung des Mindestlohnes ist zu beachten und daher relevant.

Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch elektromagnetische Felder (EMFV)

Die EMFV ist eine neue Arbeitsschutzverordnung. Sie wurde erlassen durch die “Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2013/35 und zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen”.

Die Verordnung gilt zum Schutz der Beschäftigten bei der Arbeit vor tatsächlichen oder möglichen Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit durch Einwirkung von elektromagnetischen Feldern (= statische elektrische, statische magnetische sowie zeitveränderliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder mit 300 Gigahertz). Sie umfasst alle bekannten direkten und indirekten Wirkungen, die durch elektromagnetische Felder hervorgerufen werden. Direkte Wirkung sind die im menschlichen Körper durch dessen Anwesenheit in einem elektromagnetischen Feld unmittelbar hervorgerufenen Wirkungen. Dazu zählen thermische Wirkungen aufgrund von Energieabsorpation aus elektromagnetischen Feldern im menschlichen Gewebe oder durch induzierte Körperströme und nicht-thermische Wirkungen durch die Stimulation von Muskeln, Nerven oder Sinnesorganen.

Hierzu sind Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen festgelegt, um Gefährdungen durch direkte und indirekte Wirkungen infolge der Einwirkung von elektromagnetischen Feldern zu vermeiden. Expositionsgrenzwerte und Auslöseschwellen beziehen sich nur auf Kurzzeitwirkungen von elektromagnetischen Feldern.

Betroffene Wirtschaftszweige

In vielen Wirtschaftszweigen treten bei unterschiedlichen Anwendungen wie etwa bei industriellen Galvanik-, Elektrolyse-, Schweiß-, Siegel-, induktiven Erwärmungs- und Härtungsverfahren, bei Rundfunk-, Mobilfunk- und Radaranwendungen, bei der Stromerzeugung und bei medizinischen Verfahren wie der Magnetresonanztomographie (MRT) elektromagnetische Felder mit hohen Feldstärken auf.

Folgende Pflichten obliegen dem Arbeitgeber:

  • Auf Grundlage des Arbeitsschutzgesetzes: Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und Festlegung geeigneter Maßnahmen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz (§ 3). Die Gefährdungsbeurteilung muss vor Aufnahme einer Tätigkeit erfolgen und die erforderlichen Maßnahmen sind nach dem Stand der Technik durchzuführen. Die Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren.
  • Sicherstellen, dass die Gefährdungsbeurteilung, die Messungen, die Berechnungen oder die Bewertungen nach dem Stand der Technik fachkundig geplant und durchgeführt sind.
  • Elektromagnetische Felder sind vorrangig an der Quelle zu verhindern oder zu reduzieren.
  • Die Expositionswerte sind einzuhalten. Expositionswerte und Auslöseschwellen für elektromagnetische Felder sind in den Anhängen 2 und 3 festgelegt.
  • Technische Maßnahmen haben Vorrang vor organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen. Geeignete persönliche Schutzausrüstung ist dann zu verwenden, wenn technische und organisatorische Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht anwendbar sind. § 6 Abs. 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Maßnahmen.
  • Arbeitsbereiche, in denen die Auslöseschwellen überschritten werden oder Arbeitsbereiche mit Gefährdungen für besonders schutzbedürftige Beschäftigte sind deutlich erkennbar und dauerhaft zu kennzeichnen.
  • Umsetzung der in § 7 festgelegten besonderen Pflichten für die Überschreitung der Expositionsgrenzwerte für sensorische Wirkungen bei Tätigkeiten im statischen Magnetfeld über 2 Tesla.
  • Umsetzung der in § 8 festgelegten besonderen Pflichten für die Überschreitung der Auslöseschwellen für die Projektilwirkung von ferromagnetischen Gegenständen (z.B. Dauermagnete, Elektromotoren, Transformatoren) im Streufeld von Anlagen mit hohem statischen Magnetfeld (> 100 Millitesla).
  • Umsetzung der in § 9 festgelegten besonderen Pflichten für die Überschreitung der oberen Auslöseschwelle für die Beeinflussung von implantierten aktiven oder am Körper getragenen medizinischen Geräten in statischen Magnetfeldern.
  • Bei Überschreitung der unteren Auslöseschwellen für externe elektrische Felder im Frequenzbereich von 0 Hertz bis 10 Megahertz müssen weitere Maßnahmen  ergriffen werden, damit die Gefährdungen der Beschäftigten durch direkte und indirekte Wirkungen ausgeschlossen sind und ein sicheres Arbeiten möglich ist. Dabei handelt es sich insbesondere um sichere Arbeitsverfahren und spezielle Unterweisungen (siehe dazu § 10).
  • Bei Überschreitung der oberen Auslöseschwellen für die Exposition gegenüber externen elektrischen Feldern im Frequenzbereich von 0 Hertz bis 10 Megahertz ist dafür Sorge zu tragen, dass über die In § 10 Nr. 2 genannten Maßnahmen hinaus weitere Maßnahmen durchgeführt werden, damit Gefährdungen ausgeschlossen sind. Zu den Maßnahmen zählen insbesondere spezielle Unterweisungen.
  • Bei Überschreitung der unteren Auslöseschwellen für die Exposition gegenüber magnetischen Feldern im Frequenzbereich von 0 Hertz bis 10 Megahertz sind die besonderen Pflichten nach § 12 zu beachten.
  • Bei Überschreitung der Auslöseschwellen für Kontaktstrom lK sind die besonderen Pflichten nach § 13 zu beachten.
  • Bei Überschreitung der Expositionsgrenzwerte für sensorische Wirkungen für im Frequenzbereich bis 400 Hertz ist dafür Sorge tragen, dass nach Durchführung der festgelegten Maßnahmen entsprechend der Gefährdungsbeurteilung die Überschreitung auf kurzzeitige Einzel­-Ereignisse unter definierten Betriebsbedingungen zu beschränken, die Expositionswerte der internen elektrischen Feldstärke  Ei für gesundheitliche Wirkungen im Frequenzbereich bis 400 Hertz nach Anhang 2 Tabelle A2.3 nicht zu überschreiten und unverzüglich weitere Maßnahmen nach § 6 Abs. 2 ergriffen werden, wenn vorübergehende Symptome auftreten.
  • § 15 enthält besondere Festlegungen für die Überschreitung der Auslöseschwellen für elek­tromagnetische Felder im Frequenzbereich von 100 Kilohertz bis 300 Gigahertz. Eine Überschreitung der Expositionsgrenzwerte gemäß Anlage 3 Tabelle A3.3 ist nur unter den in § 16 genannten Bedingungen zulässig. Das Phänomen des Mikrowellenhörens ist eine spezielle Wirkung von stark gepulsten, hochfrequenten elektromagnetischen Feldern mit Pulsbreiten, die kleiner als 30 μs sind. Beim Mikrowellenhören nehmen die betroffenen Beschäftigten Geräusche in Form von Klicken oder Summen wahr. Der Effekt entsteht durch eine thermoelastische Wechselwirkung des Gewebes im Kopf. Das Mikrowellenhören kann das tatsächliche Hören erheblich einschränken oder verändern und damit zu Irritationen und zu Gefährdungen bei den betroffenen Beschäftigten führen.
  • § 18 enthält besondere Festlegungen zum Schutz vor Gefährdungen bei medizinischen Anwendungen von Magnetresonanzverfahren.
  • Die betroffenen Beschäftigten sind auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung vor Aufnahme der Tätigkeit und mindestens jährlich zu unterweisen. Die Mindestinhalte der Unterweisung sind in § 19 Abs. 1 aufgeführt. Darüber hinaus ist gem. § 19 Abs. 2 im Rahmen der Unterweisung auch eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung durchzuführen mit Hinweisen zu besonderen Gefährdungen insbesondere für besonders schutzbedürftige Beschäftigte.

Zunächst sollte ermittelt werden, ob tatsächliche oder mögliche Gefährdungen der Beschäftigte durch Einwirkung von elektromagnetischen Feldern (= statische elektrische, statische magnetische sowie zeitveränderliche elektrische, magnetische und elektromagnetische Felder mit 300 Gigahertz) vorhanden sind. Ist dies der Fall, sind die in der neuen Arbeitsschutzverordnung festgelegten Pflichten innerbetrieblich umzusetzen. Die EMFV ist daher relevant.

Praxisbeispiel: Compliance-System für die SCHWING Fluid Technik GmbH (Teil 2)

Bislang haben wir in unserem Blog rund um Compliance vor allem die Theorie der Gesetzeskonformität in Unternehmen beleuchtet. Das haben wir mit dem ersten Teil über die Einführung für ein Compliance-System bei der SCHWING Fluid Technik GmbH  geändert. Wie die Firma SCHWING aus dem nordrhein-westfälischen Neukirchen-Vluyn durch ein Gesetzeskataster den Überblick über alle Rechtsvorschriften behält, darüber berichten wir in diesem zweiten Teil.

Compliance-System als wichtiger Teil des Qualitätsmanagements

Mit mehr als 40 Jahren Erfahrung im internationalen Anlagengeschäft ist SCHWING ein weltweit führender Konstrukteur, Hersteller und Betreiber von Hochtemperatursystemen für die (thermische) Reinigung von Metallteilen und -werkzeugen, thermo-chemischen Gas-Feststoff-Reaktionen in variierbaren Atmosphären bis 1100 °C, für die besonders effiziente Wärmebehandlung von Metallen und für die Kalibrierung von Temperatursensoren und thermischen Instrumenten.

Mit wachsendem Exportanteil bei SCHWING stiegen vor einigen Jahren auch die gesetzlichen Anforderungen. Ende 2014 entschied sich die Geschäftsleitung, die Unternehmensprozesse exakt zu dokumentieren und zu organisieren und zugleich ein Qualitätsmanagementsystem nach DIN EN ISO 9001:2015 einzuführen.  In diesem Zusammenhang wurde auch die Compliance-Thematik erneut relevant, weil die gesetzeskonforme Unternehmensführung eine zentrale Forderung des Qualitätsmanagementsystems ist. Da es für SCHWING als mittelständisches Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung nicht möglich ist, die Vielzahl der unterschiedlichsten, für die Firma geltenden Gesetze strukturiert zu erfassen und zu überwachen, hat es die Düsseldorfer Organisations- und Ingenieurberatung SAT mit der Erstellung des Gesetzeskatasters beauftragt.

532 Regelwerke für ein mittelständisches Unternehmen

In mehreren Terminen hat SAT mit einem entsprechenden Monitoring und einem Fragenkatalog die für SCHWING relevanten Gesetze innerhalb der verschiedenen Rechtsebenen (EU-Recht, Bundesrecht, Landesrecht etc.) identifiziert und strukturiert. In einem Rechtskataster wurden die entsprechenden aktuellen Gesetzestexte auf den nach Themen gegliederten Rechtsgebieten zusammengefasst. „Das Rechtskataster umfasst immerhin 532 Regelwerke, die wir beachten müssen“, beschreiben die beiden Geschäftsführer Ewald und Thomas Schwing das Werk. Darunter seien Gesetze, bei denen sie ohne die Hilfe von SAT nicht gewusst hätten, dass sie für SCHWING gelten. Das Rechtskataster und die Regelwerke wurden in das Qualitätsmanagementsystem eingearbeitet. Konkret bedeutete das, das Rechtskataster im Wiki (Elektronisches Redaktionssystem) zu veröffentlichen und somit für alle Mitarbeiter bekannt zu machen. Somit hat das Unternehmen gleichzeitig unter anderem die aushangpflichtigen Gesetze für die Mitarbeiter zugänglich gemacht. Im nächsten Schritt hat SCHWING die Regelwerke mit den Prozessen verbunden, erforderliche Regelungen integriert, Verantwortlichkeiten definiert und an die Prozesseigentümer delegiert. „Für die Geschäftsleitung alleine wäre die Steuerung und Überwachung der vielfältigen Regelwerke nicht zu bewältigen“, bestätigen  Ewald und Thomas Schwing.

Herausforderungen bei der Einführung eines Gesetzeskatasters

„Herausforderungen bei der Einführung des Gesetzeskatasters gibt es einige – zum Beispiel die Sichtung der Regelwerke und die Verknüpfung mit den Prozessen, die Schulung der Mitarbeiter, die Akzeptanz bei Prozessanpassungen. Aber auch der Schritt, dass neue Prozessschritte in den Arbeitsalltag integriert werden, ohne dabei hemmend zu wirken“, bescheinigen die Geschäftsführer. Es werde seit der Einführung des Qualitätsmanagementsystems und des Compliance-Systems mehr dokumentiert. Dabei sei es wichtig, dass die Anforderungen eingehalten würden, ohne sich gleichzeitig „über“ zu organisieren oder zu stark zu bürokratisieren.

Ständige Aktualisierung des Gesetzeskatasters wichtig

„Es ist jedoch auch nicht alleine damit getan, dass das Rechtskataster einmal erstellt ist“, sagen Ewald und Thomas Schwing. Es müsse eine ständige Überwachung stattfinden, ob es Änderungen in den Gesetzen gebe oder neue hinzugekommen seien. Auch diese Aufgabe sei für SCHWING als mittelständisches Unternehmen ohne Rechtsabteilung nicht zu bewältigen. Deshalb habe man SAT wiederum mit dem sogenannten Monitoring beauftragt. SCHWING erhält nun quartalsweise ein aktualisiertes Rechtskataster mit entsprechenden Änderungen in den Gesetzen. Außerdem bekommt das Unternehmen einen Bericht, der die Gesetzesänderungen noch einmal zusammenfasst und mit einem Ampelsystem bewertet, ob die Änderungen für SCHWING relevant sind.

SCHWINGs Empfehlung für andere Unternehmen

„Es ist wichtig, sich Unterstützung von entsprechenden Fachleuten zu holen, da die Erstellung eines Rechtskatasters ohne das juristische Hintergrundwissen nicht zu bewältigen ist“, fassen Ewald und Thomas Schwing zusammen. „Obwohl wir uns auch in der Vergangenheit bereits mit der Thematik auseinandergesetzt hatten, waren wir überrascht, wie viele Gesetze tatsächlich für uns gelten – darunter auch solche, mit denen wir nicht gerechnet hatten. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Regel auch nicht nach kleinen, mittleren oder großen Unternehmen. Der Irrglaube, dass bestimmte Regelungen für kleine Unternehmen nicht gelten, ist schlichtweg falsch.

Wichtig ist, das Rechtskataster in die Prozesse einzuarbeiten, Verantwortlichkeiten zu definieren, Mitarbeiter bei der Umsetzung einzubinden, um diese „mitzunehmen“ und eine entsprechende Akzeptanz zu schaffen. Dabei ist es sehr wichtig, handlungsfähig zu bleiben und die Prozesse nicht zu hemmen. Wenn für die Überwachung des Rechtskatasters keine entsprechenden Ressourcen im Unternehmen vorhanden sind, sollte man externe Hilfe in Anspruch nehmen: Sie informiert zeitnah über Änderungen, so dass wir sie in unser Managementsystem und in die Prozesse einbinden können.“

Compliance Praxis: Compliance-System bei SCHWING Fluid Technik GmbH (Teil 1)

Bislang haben wir in unserem Blog rund um Compliance vor allem die Theorie der Gesetzeskonformität in Unternehmen beleuchtet. Das werden wir nun ändern und in die Compliance Praxis einsteigen. Die Firma SCHWING Fluid Technik GmbH aus dem nordrhein-westfälischen Neukirchen-Vluyn gewährt einen Einblick, wie sie in ihrem Unternehmen ein Compliance-System eingeführt hat und seither durch ein Gesetzeskataster den Überblick über alle Rechtsvorschriften behält.

Compliance bis dato ein Thema der Geschäftsführung

Mit mehr als 40 Jahren Erfahrung im internationalen Anlagengeschäft ist SCHWING ein weltweit führender Konstrukteur, Hersteller und Betreiber von Hochtemperatursystemen für die (thermische) Reinigung von Metallteilen und -werkzeugen, thermo-chemischen Gas-Feststoff-Reaktionen in variierbaren Atmosphären bis 1100 °C, für die besonders effiziente Wärmebehandlung von Metallen und für die Kalibrierung von Temperatursensoren und thermischen Instrumenten.

Compliance ist nach eigener Auskunft schon lange ein Thema im Unternehmen. Allerdings wurde es bis zur Einführung eines durchgängigen Compliance-Systems samt Gesetzeskataster nicht strukturiert und überwacht. Zu dem Zeitpunkt hat sich in erster Linie die SCHWING-Geschäftsführung mit der Thematik auseinandergesetzt. Das reichte vom Austausch mit anderen Unternehmen und Fachleuten in Ausschüssen der Industrie-und Handelskammer bis hin zum Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Dort informierte sich SCHWING über Newsletter und Veranstaltungen über neue Herausforderungen oder geänderte gesetzliche Anforderungen für den Maschinenbau.

Compliance: gestiegene Bedeutung durch höheren Export-Anteil

Das Thema Compliance wurde im Laufe der Zeit allerdings zunehmend präsenter und akuter: Mit dem wachsenden Anteil des Exportgeschäftes bei SCHWING stiegen auch die gesetzlichen Anforderungen. „Insgesamt wurden immer mehr Gesetze und Regelungen eingeführt, strenger überwacht und mit hohen Strafen bei Nichteinhaltung geahndet“, erinnern sich die beiden Geschäftsführer Ewald und Thomas Schwing. Ende 2014 entschied sich die Geschäftsleitung schließlich, die Unternehmensprozesse zu dokumentieren und zu organisieren. Diese Entscheidung kam neben dem höheren Exportanteil unter anderem durch die gestiegene Auftragslage und veränderten Anforderungen zustande: Das Unternehmen hatte mittlerweile mehr Mitarbeiter. Die Prozesse mussten klarer definiert, die Verantwortlichkeiten festgelegt werden. Bereits 2012 hatte SCHWING ein ERP-System eingeführt, das eine Umstrukturierung der Prozesse erforderte. Die Geschäftsleitung verfolgte dabei auch das Ziel, Unternehmenswissen nicht zu verlieren. Das „Handwerkszeug“ für die Dokumentation war mit dem ERP-System und einer unternehmenseigenen Wiki – als Mischung aus einer Art Intranet und einer Wissensplattform für Unternehmens-Know-how – bereits vorhanden. Für die Prozessdefinition und die Festlegung der Verantwortlichkeiten entschied sich das Unternehmen für externe Unterstützung durch Anne von Brockhausen von der Kölner norm.konform GmbH.

Compliance entscheidend für erfolgreiche ISO-Zertifizierung

Die Umsetzung, die Dokumentation der Ist-Prozesse, die Schnittstellendefinition, die Fehleranalysen und die Problemaufschreibung begannen schließlich im Jahr 2015. „Nachdem die ersten Schritte getan waren, haben wir uns in dem Zusammenhang entschieden, ein Qualitätsmanagementsystem nach ISO 9001:2015 einzuführen“, sagen Ewald und Thomas Schwing. (Anfang September 2016 fand bei SCHWING übrigens erfolgreich das Zertifizierungsaudit statt.) In diesem Zusammenhang aber haben sie auch die Complianace-Thematik erneut aufgegriffen und organisiert. Schließlich ist die gesetzeskonforme Unternehmensführung eine zentrale Forderung des Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001:2015. „Uns war jedoch schnell klar, dass wir es als mittelständisches Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung nicht alleine schaffen würden, diese Aufgabe zu bewältigen. Es ist einfach nicht möglich, die Vielzahl der unterschiedlichsten, für uns geltenden Gesetze strukturiert zu erfassen und zu überwachen. Daher haben wir SAT mit der Erstellung des Gesetzeskatasters beauftragt“, berichten die SCHWING-Geschäftsführer.

Lesen Sie in Teil 2, wie SAT das Gesetzeskataster als Beispiel für Compliance Praxis bei der SCHWING Fluid Technik GmbH installiert hat.