Bürokratieabbau vs. Arbeitsschutz: Bundesarbeitsministerium plant Reduzierung von Sicherheitsbeauftragten
Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat Pläne für einen Bürokratieabbau beim Arbeitsschutz vorgestellt. Im Fokus: Die Zahl der Sicherheitsbeauftragten (SiBe) soll sinken, insbesondere in kleineren und mittleren Unternehmen (KMU).
Was ist geplant?
Aktuell müssen Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten mindestens einen Sicherheitsbeauftragten bestellen. Die neuen Pläne sehen vor, diese Pflicht für Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten ganz entfallen zu lassen. Zudem sollen auch die Anforderungen an größere Unternehmen gelockert werden:
- Unternehmen mit unter 50 Beschäftigten: Die Pflicht zur Bestellung eines SiBe soll entfallen. Dies würde Schätzungen zufolge über 123.000 Sicherheitsbeauftragte betreffen.
- Unternehmen bis zu 250 Beschäftigten: Hier könnte künftig die Bestellung nur eines SiBe ausreichend sein, während bisher ab 50 Mitarbeitenden oft mehr als einer nötig war.
Ziel: Bürokratie und Entlastung der Wirtschaft
Das BMAS will damit kleine und mittlere Unternehmen von administrativen Lasten entlasten und so zum allgemeinen Bürokratieabbau beitragen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die ersten Reformpakete zu einer Entlastung der Wirtschaft in Höhe von fast 200 Millionen Euro jährlich führen können.
Kritik und Bedenken: Bleibt das Schutzniveau erhalten?
Die Pläne stoßen jedoch auf erhebliche Kritik der Gewerkschaften (z.B. DGB, IG BAU) und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Die Hauptsorge ist, dass der hohe Standard im Arbeitsschutz in Deutschland gefährdet werden könnte.
- Rolle der SiBe: Sicherheitsbeauftragte sind wichtiges Bindeglied zwischen Belegschaft und Arbeitgeber, haben eine wichtige Überwachungs- und Unterstützungsfunktion und tragen maßgeblich zur Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten bei.
- Schutzniveau: Kritiker befürchten, dass ein Wegfall dieser Strukturen das Unfallrisiko steigen lässt und die Betriebe bei ihren gesetzlichen Arbeitsschutzpflichten allein gelassen werden.
- Kosten-Nutzen-Debatte: Es wird argumentiert, dass die Kosten für die SiBe (Ausbildung durch Berufsgenossenschaften, Freistellung) im Vergleich zum Nutzen (Unfallvermeidung) gering sind und die Einsparungen minimal ausfallen könnten, während das Risiko für die Gesundheit der Beschäftigten wächst.
Wie geht es weiter?
Das BMAS betont, dass alle Vorhaben mit dem Ziel umgesetzt werden, das hohe Schutzniveau im Arbeitsschutz zu erhalten. Das Konzept ist in aufeinanderfolgende Pakete unterteilt, wobei die ersten Schritte im Rahmen des Sofortprogramms für den Bürokratierückbau zeitnah umgesetzt werden sollen.
Die weiteren Reformschritte sind für die laufende Legislaturperiode geplant. Die Diskussion um die Balance zwischen effizientem Bürokratieabbau und gewährleistetem Arbeitsschutz bleibt damit weiterhin aktuell.
Zweischneidige Auswirkungen der Pläne auf die Unternehmenscompliance
Die Pläne des BMAS zur Reduzierung der Sicherheitsbeauftragten (SiBe) wirken sich zweischneidig auf Unternehmen aus:
- Erleichterung der formalen Compliance (Bürokratieabbau)
Die unmittelbarste Auswirkung ist eine formale Entlastung bei der Einhaltung der Bestellpflichten.
- Wegfall der Bestellpflicht
- Geringerer Verwaltungsaufwand
- Fokus auf das Kerngeschäft
- Erhöhtes Risiko der materiellen Compliance (Haftung und Prävention)
Die Kernpflichten zum Arbeitsschutz bleiben von der Gesetzesänderung unberührt. Die Reduzierung der unterstützenden Struktur durch die SiBe könnte das Compliance-Risiko der Geschäftsleitung erhöhen.
- Übernahme der Kontrollfunktion
Die Sicherheitsbeauftragten haben eine wichtige Unterstützungs- und Kontrollfunktion (z.B. Hinweise auf Mängel, Überprüfung der Benutzung von Schutzausrüstung). Fällt der SiBe weg, liegt die Verantwortung für die unmittelbare Überwachung der Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz noch stärker und direkter beim Arbeitgeber und den Führungskräften.
Insbesondere in kleinen Betrieben kann die Geschäftsleitung oft nicht ständig vor Ort sein, um die Einhaltung der Vorschriften zu prüfen. Der Wegfall des SiBe, der als “Auge und Ohr” fungiert, kann zu Überwachungslücken führen.
- Erhöhtes Haftungsrisiko
Bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit haften die Verantwortlichen im Unternehmen (Arbeitgeber, Führungskräfte) weiterhin für Mängel in der Organisation des Arbeitsschutzes. Ohne die dokumentierten Hinweise und Tätigkeiten des SiBe wird es für das Unternehmen schwieriger nachzuweisen, dass es alle notwendigen Maßnahmen zur Prävention ergriffen und seine Kontrollpflichten sorgfältig wahrgenommen hat. Das Risiko von Bußgeldern oder strafrechtlichen Konsequenzen bei einer Verletzung der Sorgfaltspflichten könnte steigen.
Die geplanten Änderungen führen zwar zu einer Entlastung von bürokratischen Pflichten, erfordern aber von den betroffenen Unternehmen eine Neuorganisation des Arbeitsschutzes, um das gesetzlich vorgeschriebene Sicherheitsniveau zu erhalten. Die Unternehmenscompliance muss sicherstellen, dass die wegfallende Unterstützungsleistung der SiBe durch andere, dokumentierte Maßnahmen kompensiert wird, um Haftungsrisiken zu vermeiden.