Smileys vor Gericht: Was das “Emoji-Urteil” des OLG München wirklich bedeutet
Sie sind aus unserer digitalen Kommunikation nicht mehr wegzudenken: Emojis. Der lachende Smiley 😄, der Daumen hoch 👍 oder die Grimasse 😬. Im Geschäftsverkehr können diese kleinen Bildchen allerdings weitreichende rechtliche Konsequenzen haben und landen gelegentlich sogar vor Gericht.
Das wohl prominenteste Beispiel in Deutschland ist das sogenannte “Emoji-Urteil” des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 11. November 2024 (Az.: 19 U 200/24 e). Es beleuchtet erstmals detailliert, wie Gerichte Emojis als potenzielle Willenserklärungen im Vertragsrecht bewerten müssen.
Der Fall: Ferrari, Lieferverzug und eine Grimasse
Auslöser des Urteils war ein Streit um den Kauf eines hochpreisigen Ferraris. Die Lieferung des Sportwagens verzögerte sich. Der Verkäufer informierte den Käufer per WhatsApp über die erneute Verzögerung. Die Antwort des Käufers lautete: „Ups 😬”
Der Verkäufer interpretierte die Nachricht – insbesondere das Grimasse-Emoji – als stillschweigende Zustimmung zu einer Verlängerung der Lieferfrist. Der Käufer sah das anders, trat später vom Kaufvertrag zurück und forderte seine Anzahlung zurück. Das OLG München musste entscheiden: Kann ein Emoji eine rechtsverbindliche Zustimmung darstellen?
Die Entscheidung des OLG: Kontext ist König
Das OLG München stellte in seinem Urteil klar, dass Emojis keine bloßen Zierelemente sind. Sie können durchaus als Teil einer Willenserklärung gewertet werden. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie diese Äußerung auszulegen ist – und hier gilt der sogenannte Empfängerhorizont: Wie durfte ein verständiger Dritter die Nachricht in diesem konkreten Zusammenhang verstehen?
Die zentralen Erkenntnisse des Gerichts:
- Keine Zustimmung durch die Grimasse: Das Gericht entschied, dass der Ausdruck „Ups 😬” zusammen mit der Grimasse nicht als Zustimmung zu einer Lieferfristverlängerung gewertet werden konnte. Es signalisiere vielmehr Unbehagen, Erstaunen oder Überraschung über die Nachricht. Der Käufer hatte der Verzögerung damit nicht zugestimmt.
- Der “Daumen hoch” als Sonderfall: Im selben Chatverlauf hatte der Käufer an anderer Stelle ein “Daumen hoch” (👍) verwendet. Das Gericht erkannte, dass der Daumen hoch in der digitalen Kommunikation grundsätzlich Einverständnis, Zustimmung oder Anerkennung signalisieren kann. Im konkreten Fall bezog sich dieses Emoji jedoch auf ein anderes Thema (die Ausstattung des Wagens) und nicht auf die Lieferfrist.
- WhatsApp erfüllt die Schriftform: Das Gericht bejahte zudem, dass Textnachrichten über Instant-Messenger (anders als etwa Sprachnachrichten) grundsätzlich das gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Schriftformerfordernis erfüllen können.
Die Lehre für den Geschäftsverkehr
Das Emoji-Urteil des OLG München unterstreicht: Emojis sind im Rechtsverkehr relevant, aber riskant. Sie können zwar, wie der “Daumen hoch” in einem klaren Kontext, als Annahme eines Angebots oder als Bestätigung gedeutet werden. Ihre Mehrdeutigkeit – die Bedeutung kann je nach Betriebssystem, Kultur oder Kontext variieren – macht sie jedoch zu einem gefährlichen Mittel für rechtlich bindende Erklärungen.
Verlassen Sie sich bei wesentlichen Vertragsinhalten, Fristverlängerungen oder Kündigungen niemals auf Emojis. Verwenden Sie stattdessen klare, schriftliche Formulierungen, um Missverständnisse und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Wo Eindeutigkeit gefragt ist, sollte Klartext regieren.