Barrierefreiheitsstärkungsgesetz

Keine Angst vorm Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Ausnahmen für KMU

Zuletzt war es die eRechnung, die von manch einem Dienstleistern beworben wurde, als wenn am 1. Januar 2025 der Untergang jedes Unternehmens drohte, das nicht vollständig auf digitale Rechnungen umgestellt hatte. Und was ist passiert? Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen oft nicht viel, denn sie sind häufig ohnehin erst ab 2028 verpflichtet, eRechnungen zu empfangen und zu versenden. Ähnlich läuft es gerade bei der Barrierefreiheit für Websites: Im Netz begegnet uns derzeit wieder eine Vielzahl von Dienstleistern, die quasi mit der Apokalypse – wahlweise Abmahnungen – drohen, sollten ab Ende Juni 2025 nicht ausnahmslos alle Websites barrierefrei gestaltet sein. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Auch das ist missverständlich. Wir klären auf, was das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz für die Websites von KMU bedeutet.

Richtig ist: Das deutsche Barrierefreiheitsstärkungsgesetz setzt die EU-Richtlinie um, die regelt, welche Anforderungen künftig an Produkte und Dienstleistungen gestellt werden, damit sie barrierefrei sind. Wichtig und richtig ist, dass niemand mehr wegen kognitiver, sensorischer oder motorischer Einschränkungen von digitalen Angeboten ausgeschlossen ist.

Welche Probleme können auftreten? Bei motorischen Schwächen kann es einem Menschen schwerfallen, eine Computermaus zu bedienen, so dass er eine Website komplett über die Tastatur steuern muss. Sensorische Probleme wie Sehschwächen führen dazu, dass Texte oder Bilder auf einer Website nicht richtig wahrgenommen werden. Hier sorgen zum Beispiel Alternativtexte bei Bildern oder Untertitel bei Videos für Abhilfe. Menschen mit kognitiven Problemen bekommen einen besseren Zugang zu Websites, wenn sie in einfacher Sprache gestaltet sind.

Für wen gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz tritt am 28. Juni 2025 in Kraft und muss bereits ab diesem Datum in digitalen Produkten und Dienstleistungen umgesetzt sein, die der breiten Öffentlichkeit angeboten werden. Darunter fallen zum Beispiel Websites und Apps, Online-Shops, Bankdienstleistungen, E-Book-Software oder Telekommunikationsdienstleistungen.

Aber: Es gibt Ausnahmen, die insbesondere für KMU interessant sind. Zum einen gelten sie für alte Dienstleistungsverträge oder Selbstbedienungsterminals. Hier muss die Umstellung bis zum 28. Juni 2030 erfolgen. Für viele KMU aber ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz ohnehin vorerst nicht bindend: Die Verpflichtung zur Barrierefreiheit gilt nicht für Dienstleistungen von Unternehmen, die weniger als zehn Mitarbeiter oder einen Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro haben. Auch nicht relevant ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz im B2B-Bereich, weil die neue Regelung nur für das Geschäft mit Endverbrauchern gedacht ist.

Wichtig: Die Ausnahmen gelten für digitale Dienstleistungen, nicht für Produkte.

Websites trotzdem barrierefrei gestalten?

Für viele kleine und mittelständische Dienstleister gibt es also vorerst Entwarnung: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wird wie die eRechnung nicht so heiß gegessen wie gekocht. Dennoch sollte sich jedes Unternehmen überlegen, seine Dienste trotzdem Schritt für Schritt barrierefrei zu gestalten. Schließlich ist es nicht nur eine langfristige Frage der Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch des Ansehens, allen Interessenten und Kunden mit ihren individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.